„Lernen ist wie Rudern gegen den Strom. Hört man damit auf, treibt man zurück.“ Diese in jeder Hinsicht bedenkenswerte Weisheit von dem chinesischen Philosophen Laozi aus dem 6. Jahrhundert vor Christus steht als Motto auf dem Flyer des Verein LVB Lernen e.V., in dessen Namen Daniel Schlau an der Carl-Bantzer-Schule seinen Vortrag zum Lernen hielt.
Bedenkenswert ist dieser Spruch in zweierlei Hinsicht. Zunächst bedeutet es, dass Lernen richtig anstrengend ist („Rudern gegen den Strom!“). „Das geht doch gar nicht!“, war deshalb auch die Meinung von Schülern, die am nächsten Tag mit dieser Aussage konfrontiert wurden. Das geht schon, aber natürlich nicht von selbst. Man muss sich schon ein bisschen anstrengen. Und was vielleicht noch überraschender ist: Wenn man aufhört zu rudern (bzw. zu lernen), bleibt man nicht einfach auf der Stelle stehen (bzw. bleibt gleich klug), sondern treibt zurück, das heißt im Klartext, man wird dümmer.
In seinem zweiteiligen Vortrag brachte Daniel Schlau den anwesenden Eltern spannend, humorvoll und praxisbezogen wesentliche Erkenntnisse der Lernforschung nah. Dabei ging er zunächst auf Lerntechniken ein und vermittelte grundsätzliche Forschungsergebnisse zum Lernen. Dazu gehört vor allem die Funktion des Gedächtnisses. Die Zuhörer konnten in Eigenversuchen selbst erfahren, was es mit Ultrakurzzeitgedächtnis, Kurzzeitgedächtnis und Langzeitgedächtnis auf sich hat. Ohne Wiederholung ist Gelerntes nach etwa einem halben Jahr so gut wie vollständig aus dem Gedächtnis verschwunden, so dass Schüler voller Überzeugung behaupten: „Das haben wir noch nie gehabt!“ „Wer lernt und nicht wiederholt, braucht eigentlich gar nicht zu lernen!“, formulierte Daniel Schlau provokativ. Damit appellierte er an die Eigenverantwortung der Schülerinnen und Schüler (und auch an die Verantwortung der Eltern), sich den einmal in der Schule erworbenen Lernstoff auch wirklich selbstständig dauerhaft anzueignen. Erst dann kann dieses Wissen bei Bedarf jederzeit aus dem Gedächtnis abgerufen und angewandt werden. Schlau bezeichnete das Langzeitgedächtnis als Lagerhalle des Gehirns, in der man natürlich nur dann etwas wiederfindet, wenn es ein bestimmtes System gibt und nicht das ungeordnete Chaos alles beherrscht. Wichtig sei es, vor allem die sogenannten Basics (wie das Einmaleins, Vokabeln in den Fremdsprachen und grammatische Regeln) regelmäßig zu wiederholen. Dabei ist stundenlanges einmaliges Wiederholen vor einer Arbeit praktisch sinnlos. Vielmehr geht es um regelmäßiges Wiederholen in kleinen Einheiten, z.B. täglich 10 Minuten, die als Ritual in den Tagesablauf eingebaut werden sollten.
Im zweiten Teil seines Vortrags ging Daniel Schlau auf die verschiedenen Lerntypen ein. Dabei unterschied er den logisch-abstrakten, den sicherheitsliebenden, den kreativ-chaotischen und den emotionalen Lerner. Auch wenn diese Lerntypen in der Realität nicht rein vorkommen, sondern jeder Eigenschaften von allen Typen hat, so ist es doch wichtig zu wissen, welchen Lernertyp ein Kind vorwiegend verkörpert. Dann können Eltern und Lehrer das Kind nämlich in all seinen Stärken und Schwächen gezielt unterstützen.
Für seinen sowohl lehrreichen als auch unterhaltsamen Vortrag erntete Daniel Schlau viel Applaus. Er betonte, dass er selbst in seiner Schulzeit die bittere Erfahrung gemacht habe, dass man nur mit den richtigen Lernstrategien Erfolg haben könne. Deshalb habe er es sich zum Ziel gesetzt, diese Erkenntnis und die richtigen Strategien möglichst vielen Menschen nahezubringen. Zu hoffen bleibt, dass die vielen begeisterten Eltern auch wirklich einiges mit nach Haus genommen haben, das sie im Alltag anwenden. So könnten die gemeinsamen Anstrengungen von Schule, Schülern und Erziehungsberechtigten zur Verbesserung des Lernens und zum gewünschten (Schul-)Erfolg führen.
Wolfgang Marek