„Heimat. Was ist das? Das, was im Pass steht?“ Dieser Frage ging das Theaterstück „Flucht Gedanken 3.0“ nach. Die Verfasser des Stücks haben sich auf Spurensuche begeben, Fragen an Heimatvertriebene, Gastarbeiter und Flüchtlinge gestellt und aus den Antworten ein beeindruckendes und ergreifendes Stück verfasst.
3.0, d.h. drei Generationen neuer Mitbürger sind in den letzten 70 Jahren nach Deutschland gekommen: 14,2 Millionen Vertriebene und Flüchtlinge nach Ende des 2. Weltkrieges, 2,6 Millionen Gastarbeiter zwischen 1955 und 1968 und jetzt ca. 1,5 Millionen Geflüchtete aus Krisengebieten im Nahen Osten und Afrika. Warum mussten sie ihre Heimat verlassen, was haben sie auf der Flucht erlebt, wie wurden sie in Deutschland empfangen und wie empfinden sie ihr Leben in der neuen Heimat? Aus den Originalantworten auf diese Fragen, Auszügen aus Ratgebern für Flüchtlinge zum richtigen Verhalten in Deutschland, Gesetzestexten und Informationen über die drei Einwanderungswellen haben die Autoren eine Textcollage zusammengestellt, die durch die ausdrucksvolle Darstellung der beiden Schauspielerinnen die Zuschauer in ihren Bann zog. Mit wenigen Requisiten, zwei alten Koffern und einer Plastiktragetasche, die auch mal ein von Wellen geschütteltes Schlauchbot darstellte, konfrontierten Jessica Stuckenberg und Barbara Gottwald aus Fulda die Zuschauer immer wieder mit neuen, mal lustig-ironischen, meist aber bedrückenden Situationen. Mit Austausch eines Kleidungsstücks – meist einer typischen Kopfbedeckung – schlüpften sie in immer wieder neue Rollen, die sie auch sprachlich durch Imitation von Akzenten der verschiedenen Sprecher deutlich machten. Immer wieder wurden auch die Zuschauer einbezogen, indem sie etwa in einer ihnen unbekannten Sprache – dänisch – schroff aufgefordert wurden, bestimmte Dinge zu tun wie einen Fingerabdruck zu geben. So konnten sie sich in die Situation von Flüchtlingen hineinversetzen, wenn auch ohne den realen bedrohlichen Hintergrund.
Das Stück endete mit Aussagen zur neuen Heimat. Trotz aller Schwierigkeiten betonten alle Interviewten die positiven Aspekte ihrer neuen Heimat Deutschland. Dazu gehört die Möglichkeit auch zu arbeiten: „… ich stand dann an meiner Maschine und habe gearbeitet und war glücklich“, das Gefühl, „dass man so, wie man ist, leben kann. Dass es Sicherheit gibt.“, und das Gefühl der Dankbarkeit: „Ich bin Gott dankbar, ich bin meiner Mama dankbar, ich bin dem Schlepper dankbar, … Ich bin jeder Person dankbar, die mir geholfen hat.“ Bei allen dargestellten Problemen macht dieses Stück deshalb vor allem auch Mut, dass jedes persönliche Engagement zur Integration der Flüchtlinge sinnvoll ist.
Schade nur, dass so wenige Besucher an diesem Abend den Weg in die CBS gefunden haben. Alle anderen haben eine großartige, tief bewegende Theateraufführung versäumt.
Das Gastspiel der Fuldaer Theatergruppe „Mittendrin“ an der Carl-Bantzer-Schule fand statt im Rahmen der Ausstellung „Mensch du hast Recht(e)!“ Diese interaktive Ausstellung der Bildungsstätte Anne-Frank wird gefördert im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben! und des Projekts „Gewalt geht nicht!“ des Schwalm-Eder-Kreises. Die Ausstellung kann noch bis zum 21.9.16 von Schulgruppen nach vorheriger Anmeldung besucht werden.
Wolfgang Marek