„Heiles Deutschland“ an der Carl-Bantzer-Schule?

„Heiles Deutschland“ – ein Theaterstück mit diesem provokanten Titel brachten am Dienstag zwei junge Schauspieler des Schultourtheaters Bühnengold aus Berlin „Heiles Deutschland“ im Atrium der Carl-Bantzer-Schule zur Aufführung. Eine gute Stunde lang fesselten sie die knapp 150 Schülerinnen und Schüler mit einer jugendnahen, mitreißenden Darstellung.

 Worum geht es? Melanie, die die 8. Klasse eines Gymnasiums besucht, erhält von ihrem Lehrer Herrn Salzig, der in diesem Stück Intoleranz und Alltagsrassismus verkörpert, die Hausaufgabe, die Marksteine der Deutschen im 20. Jahrhundert zu beleuchten, weil sie nach eigener Aussage beim Singen der Nationalhymne keinen wirklichen Stolz empfindet. Politisch desinteressiert weiß Melanie nicht wirklich, wie sie diese „Strafarbeit“ erledigen soll. Da kommt ihr ihr Bruder Lukas zur Hilfe, der interessiert das Tagesgeschehen verfolgt und sich gut informiert fühlt. Tatsächlich macht er sich aber nur wenig eigene Gedanken, statt dessen macht er sich über vieles einfach nur lustig. Gemeinsamen arbeiten sich die beiden Geschwister mithilfe des Computers durch die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts und halten wichtige Ereignisse und Personen mit Zetteln an einer Pinnwand fest. Dabei geraten zunehmend auch die Weltpolitik und die jüngsten Ereignisse in den Blick, so dass zuletzt auch Pegida, die Flüchtlingspolitik und sogar die wenige Wochen alten Attentate in Paris an der Pinnwand erscheinen.

Hatte sich Melanie zunächst entschieden, keine Meinung zu haben, erkennt sie jedoch im Laufe des Stückes, dass eine passive Haltung nicht genügen kann. Sie will sich deshalb nicht mehr raushalten, sondern etwas verändern.

Lukas hingegen, der anscheinend gut informiert ist, zeigt sich zunehmend intolerant, beeinflusst von Gefühlen wie Ehre und Stolz und sympathisiert schließlich mit der Terrormiliz IS. Am Schluss bindet er sich einen Sprengstoffgürtel um, es knallt, und dann ist es still.

 Erklärtes Ziel des Schultourtheaters Bühnengold ist es, „durch intelligente Unterhaltung junge Menschen zu kritischen, geistig wachen Menschen zu formen, die sich ihrer Stimme und Rolle in der Gesellschaft bewusst werden.“ In der sich an das Stück anschließenden Diskussion, die von den beiden Schauspielern moderiert wurde, meldeten sich dann auch nach anfänglichem Zögern einige Schülerinnen und Schüler zu Wort, die zu den angesprochenen Themen Stellung bezogen.

 Die Aufführung des Theaterstücks fand im Rahmen des Projekts „Willkommenskultur an der Carl-Bantzer-Schule“ statt. Vorher gab es schon weitere Aktionen wie die Erstellung einer Willkommenswand mit Flaggen und Grüßen in vielen Sprachen. Gefördert wird das Projekt im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben“ und der Initiative „Gewalt geht nicht!“ des Schwalm-Eder-Kreises. Damit versucht die Carl-Bantzer-Schule, ihren Schülerinnen und Schülern in Bezug auf die aktuellen Ereignisse Orientierungshilfen zu geben mit dem Ziel, Toleranz zu entwickeln und sich durch eigene, begründete Meinungen in unsere demokratische Gesellschaft einzubringen. 

 

Wolfgang Marek